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Als eine der fünf offiziellen Blogger*innen durfte ich das Buchfestival „Zürich liest ’16“ vom 26. bis 30. Oktober hautnah miterleben. Diese besondere Position ermöglichte mir einen einzigartigen Einblick in die vielfältige Literaturszene Zürichs. Das Festival präsentierte sich als ein faszinierendes Mosaik aus Lesungen, Ausstellungen und kulturellen Begegnungen, die die Stadt in einen lebendigen literarischen Schauplatz verwandelten.
Die Fülle an Eindrücken und Erlebnissen während dieser fünf Tage würde einen prosalastigen Bericht sprengen – er würde sicherlich zehn Seiten oder mehr umfassen. Deshalb habe ich mich für ein übersichtlicheres Format entschieden: sechs strukturierte Listen, die Ihnen meine Festivalerfahrungen von der Reise aus Chemnitz bis zu den literarischen Höhepunkten auf anschauliche Weise näherbringen.
Neue Literarische Stimmen
Das Festival eröffnete mir den Zugang zu bemerkenswerten literarischen Stimmen, die mein Verständnis der zeitgenössischen deutschsprachigen Literatur wesentlich erweitert haben. Jede dieser Begegnungen brachte eine einzigartige Perspektive und neue literarische Ausdrucksformen mit sich.
- Nadja Küchenmeister
- Entdeckt bei ihrer atmosphärischen Gedichtlesung in der Krypta des Großmünsters
- Beeindruckte durch klare, verständliche und emotional tiefgehende Poesie
- Eine wahre Entdeckung für Liebhaber zeitgenössischer Lyrik
- Eugen Gomringer
- Kennengelernt durch seine faszinierende Ausstellung im Strauhof
- Begründer der Konkreten Poesie
- Die Ausstellung offenbarte die künstlerische Verbindung zu seiner Tochter Nora Gomringer
- Jonas Lüscher
- Brillierte mit seiner beeindruckenden Eröffnungsrede
- Thematisierte das Festivalmotto „Über Grenzen“ auf eindringliche Weise
- Plädierte überzeugend für die „Gnade der Mehrdeutigkeit“ und Pluralismus in der Literatur
Züricher Erlebnisse der besonderen Art
Meine Festivalerlebnisse waren geprägt von überraschenden kulinarischen Entdeckungen, ungewöhnlichen Übernachtungserfahrungen und einer bemerkenswerten Anreise. Bei der Veranstaltung „Kochende Kommissare – kulinarische Krimis“ im Festivalzentrum „Karl der Grosse“ durfte ich zum ersten Mal Hirsch probieren. Das köstliche Hirschragout mit Butter-Spätzle und Rotkraut, begleitet von Krimilesungen von Donna Leon, Rita Falk und Martin Walker, eröffnete mir eine völlig neue Geschmackswelt.
Meine Unterkunft, das Hotel Rothaus an der Kreuzung Militärstraße-Langstraße, entpuppte sich als faszinierendes Zeitdokument: Ein ehemaliges Bordell, heute ein charmantes Hotel mitten im lebhaften Party- und Rotlichtviertel Zürichs. Die lebendige Atmosphäre des Viertels, wo die letzten Lokale erst um 6 Uhr morgens schließen, bot einen interessanten Kontrast zum literarischen Programm.
Die zwölfstündige Anreise von Chemnitz nach Zürich erwies sich als meditative Vorbereitung auf das Festival. Während der Fahrt nutzte ich die Zeit, um ein Buch und mehrere Zeitschriften zu lesen – eine perfekte Einstimmung auf die kommenden Tage. Obwohl die Autofahrt nur halb so lang gewesen wäre, hätte ich diese entspannte Form der Anreise nicht missen wollen.
Literarische Ausbeute
Die literarische Ausbeute des Festivals spiegelt die Vielfalt der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur wider. Jedes dieser sorgfältig ausgewählten Werke repräsentiert einen einzigartigen Aspekt der Schweizer und internationalen Literaturszene. Sie finden hier eine kuratierte Auswahl, die von zeitgenössischer Poesie bis hin zu wegweisender Prosa reicht.
- „Wäre die Einsamkeit nicht so lehrreich“ von Thomas Meyer
- Ein tiefgründiger Blick auf moderne Einsamkeit
- Ausgewählt für seine zeitgenössische Relevanz
- „Bartleby & Co.“ von Enrique Vila-Matas
- Seltene Hardcover-Ausgabe von Nagel & Kimche
- Faszinierender Blick auf das Phänomen des Nicht-Schreibens
- „Hoffentlich ist niemand verletzt“ von Adrian Witschi
- Vielversprechendes Debüt eines Schweizer Autors
- Innovative Erzählperspektive
- „Mitten im Land“ von Bastian Asdonk
- Zeitgenössische Landschaftsbetrachtungen
- Poetische Auseinandersetzung mit Heimat
- „Gomringer & Gomringer – Gedichte leben“
- Begleitender Reader zur Strauhof-Ausstellung
- Einblick in zwei Generationen Poesie
- „Tanz der Dienstmädchen“ von Maeve Brennan
- Wiederentdeckte Klassikerin
- Zeitlos elegante Erzählungen
- „Streichholzschachteltheater“ von Michael Frayn
- Experimentelles Format
- Spielerischer Umgang mit Theatralität
- „Schreiben“ von A.L. Kennedy
- Praktische Einblicke in den Schreibprozess
- Inspirierender Ratgeber
- „Land spielen“ von Daniel Mezger
- Innovative Schweizer Gegenwartsliteratur
- Gesellschaftskritischer Ansatz
- „Sommerdiebe“ von Truman Capote
- Zeitlose Neuauflage eines Klassikers
- Beeindruckende Übersetzung
Zwischen Vorfreude und Enttäuschung
Der Freitagabend begann mit einer unerwarteten Enttäuschung bei der Lesung von Lukas Bärfuss in der Buchhandlung Hirslanden. Trotz offizieller Anmeldung als Bloggerin musste ich aufgrund von Platzmangel unverrichteter Dinge wieder gehen. Diese Situation verdeutlichte die Popularität des Autors, zeigte aber auch die Grenzen der Veranstaltungsplanung auf.
Der Abend nahm eine weitere unglückliche Wendung, als der Hunger nach der langen Straßenbahnfahrt zurück zum Hotel zuschlug. Ein überteuestes Avocado-Sandwich für 11 CHF vom Migrolino gegenüber erwies sich als kulinarische Enttäuschung. Diese Erfahrung lehrte mich, besser für spontane Mahlzeiten während des Festivals zu planen.
Die Lesung von Kafi Freitag, auf die ich mich besonders gefreut hatte, brachte eine unerwartete sprachliche Herausforderung mit sich. Die Veranstaltung fand auf Schweizerdeutsch statt, was das Verständnis erheblich erschwerte. Während ich Kafi noch einigermaßen folgen konnte, blieben mir die Fragen des Moderators Hannes Hug meist unverständlich. Diese Erfahrung machte deutlich, wie wichtig sprachliche Zugänglichkeit bei internationalen Literaturveranstaltungen ist.
Tägliche Festival-Höhepunkte
Der Eröffnungsabend setzte mit Jonas Lüschers Rede einen bemerkenswerten Auftakt. Seine Reflexionen über das Festivalmotto „Über Grenzen“ trafen den Kern der Veranstaltung. Die musikalische Begleitung durch die Band Knuts Koffer von Frédéric Zwicker schuf eine perfekte Balance zwischen intellektuellem Diskurs und kultureller Unterhaltung.
Die Ausstellung „Gomringer & Gomringer“ im Strauhof offenbarte sich als faszinierender Dialog zwischen den Generationen. Die ästhetisch durchdachte Präsentation ermöglichte einen tiefen Einblick in die Entwicklung der Konkreten Poesie. Die Verbindung zwischen Vater und Tochter wurde durch die kunstvolle Gegenüberstellung ihrer Werke besonders greifbar.
Die nächtliche Lesung in der Krypta des Grossmünsters schuf eine unvergessliche Atmosphäre. Im Kerzenschein, umgeben von aufziehendem Nebel, entfaltete sich die Poesie in ihrer reinsten Form. Die Kombination aus historischem Ambiente und zeitgenössischer Literatur erzeugte einen magischen Moment.
Teresa Präauers Lesung aus „Oh Schimmi“ bestätigte eindrucksvoll den literarischen Wert des Werks. Ihre Präsentation und die anschließende Diskussion eröffneten neue Perspektiven auf den Text. Die Veranstaltung verdeutlichte die Bedeutung des direkten Austauschs zwischen Autor und Publikum.
Begegnungen in der Literaturszene
Das Festival bot eine einmalige Gelegenheit, wertvolle Kontakte in der deutschsprachigen Literaturszene zu knüpfen. Die Begegnungen mit Gleichgesinnten, Branchenprofis und kreativen Köpfen haben nicht nur das Festival bereichert, sondern auch nachhaltige Verbindungen geschaffen. Diese vielfältigen Vernetzungsmöglichkeiten zeigen die verbindende Kraft der Literatur.
- Blogger-Kolleg*innen
- Friederike (Die Buchbloggerin)
- Mara (Buzzaldrins Bücher)
- Sarah (Pinkfisch)
- Uwe (Kaffeehaussitzer)
- Monika (adibuma)
- Tabea (Buchbunt)
- Anya (bücher in meiner hand)
- Verlagsvertreter*innen
- Anna und André vom Salisverlag
- Marion vom Dörlemann Verlag
- Cristine vom Verlag Kein & Aber
- Matthias vom Unionsverlag
- Susanne vom Diogenes Verlag
- Buchhandel & Kulturinstitutionen
- Ricco Bilger, Verleger des Bilgerverlags
- Hanna Wettstein, Inhaberin der Buchhandlung Blex
- Rémi vom Strauhof
Resümee des Festivals
„Zürich liest ’16“ hat sich als ein beeindruckendes Zeugnis der lebendigen Schweizer Literaturszene erwiesen. Die Vielfalt der Veranstaltungen, die Tiefe der literarischen Begegnungen und die warmherzige Aufnahme in der Zürcher Kulturszene haben das Festival zu einem unvergesslichen Erlebnis gemacht. Die Kombination aus etablierten Autor*innen und aufstrebenden Stimmen, traditionellen Lesungen und innovativen Veranstaltungsformaten schuf eine einzigartige Atmosphäre der literarischen Entdeckung.
Solche Festivals sind mehr als nur kulturelle Veranstaltungen – sie sind Brückenbauer zwischen verschiedenen literarischen Welten und Menschen. Sie zeigen, wie Literatur Grenzen überwinden und neue Perspektiven eröffnen kann. Für die Zukunft wünsche ich mir mehr solcher Begegnungen, die den kulturellen Austausch fördern und die literarische Landschaft der deutschsprachigen Länder bereichern. Das Festival hat eindrucksvoll bewiesen, dass die Literatur auch in Zeiten digitaler Medien Menschen physisch zusammenbringen und begeistern kann.